Welcher Blutdruck ist für wen gesund?

Ist ein Blutdruck unter 140/90 normal oder sollte er noch deutlich darunter liegen? Diskussionen unter Medizinern zu diesem Thema können Patienten verunsichern. Welche Werte sind optimal, welche akzeptabel und ab wann besteht Handlungsbedarf? Praxisvita hat die wichtigsten Fakten für Sie zusammengestellt.
140/90 – dieser Wert galt lange Zeit als unumstritten, wenn es um die Definition von Bluthochdruck ging. Ein normaler Blutdruck besteht demnach bei einem systolischen Wert (gemessen beim Zusammenziehen des Herzmuskels) unter 140 und einem diastolischen Wert (gemessen beim Erschlaffen des Herzmuskels) unter 90.
Die sogenannte SPRINT-Studie aus den USA stellte diese Richtlinien 2015 in Frage. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass bei bestimmten Risikopatienten (Patienten mit Herzerkrankungen, chronischen Nierenerkrankungen und einem hohen Risiko für Herzerkrankungen – aber keine Diabetiker) ein systolischer Zielwert von unter 120 angestrebt werden sollte.
Systolischer Wert 120 – neuer Richtwert?
Die Forscher hatten die beiden Blutdruckzielwerte 120 und 140 in einer Studie mit 9.361 Probanden gegenübergestellt. Eine Probandengruppe wurde medikamentös so eingestellt, dass ihr systolischer Blutdruck auf unter 120 gesenkt wurde – in der anderen Gruppe wurde er auf unter 140 gehalten.
In der Gruppe mit dem Zielwert 120 gab es 25 Prozent weniger Todesfälle und auch das Risiko für Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnte mit der Intensivtherapie um 30 Prozent gesenkt werden.
Erst Euphorie, dann Skepsis
Zunächst wurden die Ergebnisse der Studie begeistert aufgenommen. Mehrere Bluthochdruck-Fachgesellschaften in den USA änderten als Reaktion auf die SPRINT-Studie ihre Leilinien.
Auch die Deutsche Hochdruckliga (DHL) reagierte zunächst positiv, entschloss sich dann aber doch dagegen, ebenfalls ihre Empfehlungen zu ändern, wie sie in einer im September 2017 veröffentlichten Stellungnahme mitteilte.
Auch aus anderen Richtungen wurden Zweifel laut und die anfängliche Euphorie wich einer skeptischeren Einordnung der Untersuchung. Zu den Gründen gehört, dass große Patientengruppen, etwa Patienten mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte oder Diabetes, von der Studie ausgeschlossen waren und das Ergebnis darum nur für eine bestimmte Gruppe repräsentativ ist.
Dazu kommt, dass eine intensivere Therapie auch mehr Nebenwirkungen mit sich bringt und engmaschiger überwacht werden muss. Bluthochdruckpatienten müssten dann deutlich häufiger zum Arzt gehen um beispielsweise ihre Nierenfunktion überprüfen zu lassen.

SPRINT-Studie: Werte nicht mit der Praxis vergleichbar
Ein weiteres großes Manko der Studie aus Sicht einiger Experten: Die fehlende Praxistauglichkeit der Ergebnisse. Die Blutdruckmessungen im Rahmen der SPRINT-Studie wurden mit einem Gerät nach einer fünfminütigen Ruhephase in einem separaten Raum ohne Anwesenheit eines Arztes oder anderen medizinischen Personals durchgeführt.
„Diese Methode wird auf lange Sicht in Deutschland nicht flächendeckend verfügbar und praktikabel sein“, erklärt DHL-Vorstandsvorsitzender Professor Bernhard Krämer in einer Pressemitteilung. „Mit ihr wurden in der SPRINT-Studie Werte gemessen, die wir nicht eins zu eins mit konventionell gemessenen Werten vergleichen können.“
Denn die Werte 140/90, die die DHL als Zielwerte empfiehlt, gelten für Messungen in der Arztpraxis. Dabei muss stets der sogenannte Weißkitteleffekt mit eingerechnet werden. Damit wird das Phänomen bezeichnet, dass die Blutdruckmessung durch medizinisches Personal aufgrund der Aufregung des Patienten meist höhere Werte ergibt als zu Hause bei der Selbstmessung. Dieser Effekt fiel in der SPRINT-Studie weg, weshalb die Ergebnisse tatsächlich schwer mit der Praxis hierzulande zu vergleichen sind.
Die DHL empfiehlt darum, bei der Gruppe von Risikopatienten, die in der SPRINT-Studie behandelt wurden, mit der herkömmlichen Praxismessung einen Wert unter 135/85 anzustreben. Dies gilt damit für Patienten mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen, außer Schlaganfall, im Alter von 75 Jahren oder älter, mit chronischer Nierenkrankheit CKD 3 und einem hohen Risiko für Gefäßerkrankungen.
Von der DHL empfohlene Blutdruck-Zielwerte
Messung in der Arztpraxis: unter 140/90
Selbstmessung: unter 135/85
24-Stunden-Blutdrucklangzeitmessung Tagesmittelwert (Wachphase): kleiner als 135/85
24-Stunden-Blutdrucklangzeitmessung Nachtmittelwert (Schlafphase): Kleiner als 120/70
24-Stunden-Blutdrucklangzeitmessung Gesamtwert über 24 Stunden: Kleiner als 130/80
Doch Bluthochdruck ist nicht gleich Bluthochdruck. Es gibt verschiedene Abstufungen und nicht alles, was über dem optimalen Wert liegt, ist schon bedenklich. Die untenstehenden Richtwerte geben eine Übersicht zur Einordnung verschiedener Blutdruckwerte.
Optimal: <120/<80
Normal: 120/80 - 129/84
Hoch normal: 130/85 - 139/89
Leichte Hypertonie: 140/90 – 159/99
Mittelschwere Hypertonie: 160/100 – 179/109
Schwere Hypertonie: ab 180/110
Bluthochdruck im Alter: Sonderfall isolierte systolische Hypertonie
Ältere Menschen haben meist einen höheren Blutdruck als jüngere. Der Grund: Im Alter werden die Gefäße steifer und können sich dem wechselnden Blutdruck schlechter anpassen. In der Folge steigt häufig vor allem der systolische Blutdruck an, während der diastolische Wert normal bleiben kann. Mediziner sprechen dann von einer isolierten systolischen Hypertonie. Sie liegt bei 80 Prozent der Bluthochdruckpatienten über 50 vor. Für diese Patienten gelten allgemein auch die Zielwerte unter 140/90 – doch bei Patienten ab 80 halten viele Mediziner die Absenkung des systolischen Wertes unter 150 für ausreichend.
Was Sie selbst tun können, um Ihren Blutdruck zu senken, erfahren Sie hier.