Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern – wenn Hormone durcheinander geraten

Wofür ist die Schilddrüse eigentlich zuständig? Was sind die Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern? Was kann therapeutisch getan werden und warum hat eine unentdeckte Unterfunktion insbesondere bei Säuglingen dramatische Folgen?

Kinderärztin Dr. Nadine Hess klärt über Schilddrüsenunterfunktion auf
Expertin Dr. Hess: „Bei Säuglingen ist eine unerkannte Schilddrüsenunterfunktion besonders dramatisch. Diese Kinder entwickeln sich mental alle schlecht, der IQ bleibt deutlich unter der Norm und auch das Körperwachstum ist sichtbar beeinträchtigt.“ Foto: privat

Das sagt die Kinderärztin Dr. Nadine Hess:

Hat man zu wenig Schilddrüsenhormone, ist man chronisch müde, kann sich schlecht konzentrieren, nimmt zu - obwohl eigentlich nicht zu viele Kalorien verzehrt werden, die Haut ist trocken, die Haare und Nägel sind brüchig, Stimmungstiefs und -schwankungen bis zur Depression oder starker Aggressivität können die Folge sein und es kann zu Problemen mit der Verdauung (Verstopfung) kommen. Eine Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern kann man mithilfe einer Blutentnahme und der Bestimmung von TSH, T3 und T4 leicht bestimmen.  

Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern vorbeugen: Viel Jod-haltigen Seefisch kochen
Seefisch ist der wichtigste Jodlieferant. Zur Vorbeugung einer Schilddrüsenunterfunktion sollte z.B. Seelachs mindestens einmal, besser zweimal pro Woche auf dem Speiseplan stehen Foto: Fotolia

Bei einer Hypothyreose ist die Schilddrüse in der Regel vergrößert tastbar und im Ultraschall sind manchmal sogenannte „kalte Knoten“ erkennbar – vergrößerte Schilddrüsenbereiche, die jedoch keine Hormone produzieren (darum werden sie auch kalte Knoten genannt, im Gegensatz zu heißen Knoten, die vermehrt Schilddrüsenhormone bilden).

Wie kommt es zur Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern?

Es gibt angeborene und erworbene Schilddrüsenunterfunktionen – die Schilddrüse kann von Geburt an völlig fehlen (dann kann gar kein Schilddrüsenhormon produziert werden), die Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern kann durch einen Jodmangel ausgelöst werden, durch Operationen an der Schilddrüse, chronische Entzündungen des Organs, bestimmte Medikamente, Bestrahlungen der Schilddrüse oder auch durch Schädigungen im Bereich der Hypophyse, wodurch das notwendige TSH zu wenig oder gar nicht ausgeschüttet wird.

Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern durch Jodmangel

Zu einer Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern kann es aufgrund von Jodmangel kommen, da Jod essentiell für die Produktion von T3 und T4 ist. In Deutschland ist Jodmangel durch Ernährungsfehler der häufigste Grund für die Schilddrüsenunterfunktion.

Die Schilddrüse und ihre Funktion

Die Schilddrüse, auch Glandula thyroidea genannt, ist ein Organ des Hormonhaushaltes. Sie ist unterhalb des Kehlkopfes lokalisiert, normalerweise kaum tastbar und hat eine schmetterlingsförmige Gestalt. TSH – das Thyroidea-stimulierende Hormon – wird in der Zirbeldrüse (Hypophyse) im Gehirn gebildet und regt die Schilddrüse zur Bildung von Schilddrüsenhormon an. Bei den Schilddrüsenhormonen unterscheidet man T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin), wobei T3 von beiden das deutlich wirksamere Hormon ist.  T4 ist eigentlich ein sogenanntes Prohormon (sozusagen der Schilddrüsenhormonvorrat). Im Körper wird es vor allem in Leber und Niere durch Jodidabspaltung T4 in das aktivere T3 umgewandelt. Abgesehen davon produziert die Schilddrüse noch das Peptidhormon Calcitonin, das für den Knochenstoffwechsel essentiell ist. T3 und T4 sind wichtig für den Energiehaushalt.

Wichtigster Jodlieferant ist Seefisch. Er sollte mindestens einmal pro Woche auf dem Speiseplan stehen, besser häufiger. Auch Milch und Milchprodukte enthalten Jod. Verwenden Sie jodiertes Speisesalz, um Ihre Jodaufnahme zu steigern. Kinder benötigen zwischen 100-200µg Jod/Tag, Erwachsene 180µg und Schwangere 230µg.

Liegt eine Hypothyreose aufgrund von Jodmangel vor, die mit Nahrungsmitteln nicht verbessert werden kann, wird der Arzt Jodtabletten verschreiben. Ist das nicht ausreichend, muss das aktive Schilddrüsenhormon selbst durch Tabletten ersetzt werden. In regelmäßigen Abständen muss nun eine Blutentnahme erfolgen, um zu sehen, ob die Schilddrüsenwerte im Normbereich sind. Oft müssen die Tabletten lebenslang eingenommen werden.

Schilddrüsenunterfunktion-Screening für Neugeborene

Bei Säuglingen ist eine unerkannte Schilddrüsenunterfunktion besonders dramatisch. Diese Kinder entwickeln sich mental alle schlecht, der IQ bleibt deutlich unter der Norm und auch das Körperwachstum ist sichtbar beeinträchtigt. Aus diesem Grund wird mit der Screening-Blutentnahme, die für alle Kinder zwischen 36 und 48 Stunden nach der Geburt empfohlen und von den Krankenkassen bezahlt wird, der TSH-Wert bestimmt sowie diverse andere Stoffwechselstörungen untersucht. Somit werden in Deutschland eigentlich alle Neugeborenen mit einer Schilddrüsenunterfunktion direkt erfasst und können umgehend behandelt werden. Bekommen diese Kinder nämlich eine sofortige Therapie, können die geschilderten Folgen gänzlich vermieden werden.