Schadet ein imaginärer Freund meinem Kind? Kinderärztin klärt auf

Fast jedes dritte Kind zwischen zwei und vier Jahren erfindet sich einen Phantasie-Kumpel. Doch ist ein imaginärer Freund wirklich etwas Schlechtes? Kinderärztin Dr. Nadine McGowan klärt auf.

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Ein imaginärer Freund erweckt bei den Eltern eines Kindes oft Sorge. Wer eigentlich der unsichtbare Freund ist und ob Sorgen begründet sind oder nicht - all dies erklärt Kinderärztin Dr. Nadine McGowan.

Was versteht man unter einem imaginären Freund?

Ein imaginärer Freund ist ein unsichtbarer Freund, der nur in der Fantasie des Kindes existiert. Rund 35 Prozent aller drei- bis siebenjährigen Kinder haben einen solchen Fantasiebegleiter. Imaginäre Freunde können ganz unterschiedliche Erscheinungsformen haben – je nach der Fantasie des Kindes. Sie können genauso alt sein, Mädchen oder Junge, viel größer, viel kleiner oder ein sprechendes Tier. Manchmal sind es auch Fabelwesen wie Feen oder Drachen.

Warum suchen sich Kinder imaginäre Freunde?

Besonders häufig tauchen die Fantasiebegleiter in Phasen auf, in denen Kinder ihr Sozialverhalten entwickeln. Sie üben zum Beispiel im Spiel mit imaginären Begleitern Fähigkeiten, die für spätere soziale und emotionale Funktionen nützlich sein können. Das Spielen mit dem unsichtbaren Freund ermöglicht zwar nicht das gleiche unmittelbare Feedback, wie es das Spielen mit echten Freunden bietet. Dafür bietet dieser imaginäre Kontext Kindern aber die Chance, mit Ereignissen zu experimentieren, die in realen Beziehungen auftreten könnten.

Durch diese symbolische Umsetzung sozialer Beziehungen können Kinder nicht nur bestimmte Situationen im menschlichen Miteinander, sondern alle Arten von positiven und negativen Gefühlen risikofrei erleben. Imaginäre Freunde bieten vor allem kleinen Kindern auch ein Forum für psychologische Distanz. Das bedeutet, sie helfen ihnen, sich aus dem realen Leben für kurze Zeit zurückzuziehen. Pausen sind wichtig. Dadurch ist es für das Kind im nächsten Moment leichter, reale Beziehungen zu pflegen und an zwischenmenschlichen Prozessen teilzuhaben.

Zudem kann der imaginäre Freund gegenüber den Eltern Wünsche und Bedürfnisse äußern, wenn das Kind sich nicht traut, diese offen anzusprechen. Zum Beispiel die Abneigung gegen ein bestimmtes Lebensmittel wird dann dem imaginären Freund zugeschoben. Wahlweise geht der unsichtbare Freund auch nicht gern früh schlafen. Am einfachsten ist es für Eltern, die imaginären Freunde ihrer Kinder zu akzeptieren und mitzuspielen. Wenn sie gut zuhören, was das Kind über die Wünsche des imaginären Freundes verrät, erfahren sie auch viel darüber, wie das eigene Kind denkt und fühlt.

Kann ein imaginärer Freund meinem Kind schaden?

Auch wenn es Eltern oft erst einmal beunruhigt: Hat ein Kind einen imaginären Freund, heißt das nicht automatisch, dass es ihm an etwas mangelt. Im Gegenteil: In Befragungen erwiesen sich Kinder mit einem unsichtbaren Spielkameraden sogar als besonders kreativ, überdurchschnittlich intelligent und gesellig. Studien zeigen, dass sich gerade Erstgeborene und Einzelkinder oft mit einem phantastischen Begleiter beschäftigen, wenn sie sich langweilen oder schmollen.

Es kommt allerdings häufig vor, dass ein imaginärer Freund ganz besondere Essensgewohnheiten hat, die von den Eltern berücksichtigt werden sollen. Beispielsweise sind die phantastischen Kreaturen oft der Meinung, dass Schokolade viel gesünder ist als Karotten. Das Kind nutzt also seinen unsichtbaren Kameraden dazu, seine eigenen Wünsche durch jemand anderen auszudrücken. Gehen Sie als Eltern darauf ein, erklären Sie dem Kind aber, dass sein imaginärer Freund sich den gleichen Essens- und Verhaltensregeln beugen muss wie alle anderen Familienmitglieder. In diesem Fall heißt das beispielsweise, dass nun einmal gegessen wird, was auf den Tisch kommt – und Schokolade nur in Maßen genossen werden sollte.

Mein starker phantastischer Freund

Auch wenn solche Situationen anfangs für Ärger sorgen können, sollten Sie nicht nachgeben und dem Kind – und seinem Gefährten – Grenzen setzen. Es ist aber nicht nötig, dem Nachwuchs seinen Kumpel ausreden zu wollen. Zum einen verschwindet dieser häufig von alleine, wenn das Kind älter wird. Und zum anderen hat ein imaginärer Freund auch viele gute Eigenschaften: Er fungiert als Spielgefährte, Beschützer und Verbündeter.

Kleinkinder haben häufig Angst – sei es auch nur vor dem Nachbarshund. Ein starker imaginärer Freund fungiert quasi als Schutzschild und macht es dem Kind leichter, mit diesen Ängsten umzugehen. Außerdem kann man mit ihm natürlich prima spielen – erst recht, wenn man viel allein ist. Wundern Sie sich also nicht über Selbstgespräche im Kinderzimmer: Nichts davon muss Ihnen als Eltern Sorgen machen. Aufmerksam werden sollten Sie jedoch, wenn das Kind sein Verhalten deutlich ändert, es also beispielsweise plötzlich aggressiv wird und die Schuld dafür seinem unsichtbaren Freund zuschiebt. In diesen Fällen kann ein psychologisches Problem vorliegen, das ärztlich abgeklärt werden sollte. Manche Kinder signalisieren durch ihren phantastischen Kumpel auch, dass sie Schmerzen oder andere Sorgen haben, über die sie sich sonst nicht zu sprechen trauen. Werden Sie also hellhörig, wenn Ihr Kind erzählt, dass sein imaginärer Freund beispielsweise in der Schule gehänselt wird.