Mehrfach mit Corona infiziert: Diese Gruppe hat das höchste Long-COVID-Risiko
Stimmt es wirklich, dass bei Personen, die sich über die Zeit mehrfach mit Corona infizieren, das Long-COVID-Risiko steigt? Studien deuten auf eine spezielle Risikogruppe hin!
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Sind mehrfache Corona-Infektionen gleichbedeutend mit einem immer höher steigenden Long-COVID-Risiko? Zahlreiche Expertinnen und Experten betonen, dass Corona-Mehrfachinfektionen die Wahrscheinlichkeit, Langzeitfolgen zu entwickeln, drastisch erhöhen. Viele berufen sich dazu auf eine Studie aus den USA, die im November 2022 in "Nature Medicine" erschienen ist.
Dabei lassen sich deren Ergebnisse durchaus differenziert lesen. Demnach ist vor allem eine Personengruppe gefährdet, Long-COVID-Symptome zu entwickeln.
Mehrfach mit Corona infiziert: Erhöhtes Long-COVID-Risiko?
Die US-Studie aus dem vergangenen Jahr besagt grob, dass sich Personen, die mehrmals an Corona erkrankt waren – vor allem Corona kurz hintereinander gehabt hatten –, ein höheres Risiko aufwiesen, an Long-COVID zu erkranken als Einmal-Infizierte. Je häufiger sich die untersuchten Probanden infiziert hatten, desto höher stieg ihr Risiko für lang anhaltende Corona-Symptome, schrieben die Wissenschaftler:innen.
Laut RKI spricht man von einem Post-COVID-Zustand oder Post-COVID-Syndrom, sobald "Beschwerden mindestens 12 Wochen und länger nach der akuten Infektion entweder noch vorhanden sind oder nach diesem Zeitraum neu auftreten und nicht anderweitig erklärt werden können". Die Medizin kennt inzwischen über 200 unterschiedliche Symptome, die zu Long COVID gezählt werden. Zu den häufigsten gehören laut RKI:
Müdigkeit
Erschöpfung
Eingeschränkte Belastbarkeit (Fatigue-Syndrom)
Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
Fieber
Geruchs- und Geschmacksverlust
Schlafstörungen
Depressive Verstimmungen
Corona-Mehrfachinfektionen: Kritik an viel zitierter Studie
Die Ergebnisse der US-Studie werden inzwischen von zahlreichen Expertinnen und Experten kritisiert. Die US-Forscher:innen hätten "Äpfel mit Birnen verglichen", betont etwa Molekularbiologe Emanuel Wyler, der am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin an Coronaviren forscht, gegenüber "Spektrum". Er weist auf folgendes Problem hin: "Die Autoren vergleichen Menschen, die kürzlich die zweite Infektion durchgemacht haben, mit solchen, deren erste Infektion schon länger vergangen ist – klar, dass es den relativ kürzer Genesenen schlechter geht."
Auch die Probandengruppe sei nicht repräsentativ für eine aussagekräftige Studie gewesen. Untersucht wurden Veteranen des US-Militärs, deren Alter, Gewicht und Vorerkrankungen deutlich über den Durchschnittswerten gelegen hätten.
Mehrfach Corona: Risikogruppe deutlich
Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich, nutzt die Studienergebnisse, um eine Risikogruppe für Long COVID zu benennen: ungeimpfte Personen, die zum ersten Mal an Corona erkranken. "[Die US-Studie] zeigt, dass etwa drei Viertel der Long-COVID-Betroffenen diese Langzeitkomplikation nach der ersten Infektion, ohne vorherige Impfung, erlitten. Die Personen, die sich zu zum zweiten Mal infizierten, machten 16 Prozent, diejenigen, die sich zum dritten Mal ansteckten, machten nur noch acht Prozent der Long-COVID-Patienten aus."
Es sei nicht so, dass Corona-Mehrfachinfektionen die Wahrscheinlichkeit, Langzeitfolgen zu entwickeln, steigen lassen.
Corona kurz hintereinander: Veranlagung spielt entscheidende Rolle bei Long COVID
Die Forschung kann nicht klar sagen, wer Corona-Langzeitfolgen entwickeln wird und wer nicht. Man geht aktuell von unterschiedlichen Faktoren aus, die Long COVID beeinflussen. "Es ist wahrscheinlich eine Frage der Veranlagung, ob einen Post COVID trifft, und wenn ja, welche Form", sagt Judith Bellmann-Strobl von der Berliner Charité. Sie forscht zum Thema Long COVID. "Ob man Long COVID entwickelt, hängt mit der genetischen Ausstattung zusammen. Nicht jeder hat die entsprechende Veranlagung."
Mehrmals Corona und plötzlich Long COVID? Wahrscheinlichkeit nicht null
Sollte eine entsprechende genetische Veranlagung das Hauptkriterium für Corona-Langzeitschäden sein, könnten jene, die bereits mit SARS-CoV-2 infiziert waren und kein Long COVID entwickelt haben, eigentlich aufatmen. Oder?
Onur Boyman bejaht dies – mit einer Einschränkung: Eine hundertprozentige Sicherheit gäbe es nie. "Wer COVID-19 einmal überstanden hat, ohne Long COVID zu entwickeln, wird es wahrscheinlich auch nach einer folgenden Infektion mit SARS-CoV-2 nicht bekommen. Das bedeutet nicht, dass man sich hundertprozentig sicher sein kann, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr niedrig."
Corona-Experte: Reinfektionen sind wie zu schnelles Autofahren
Nach wie vor gibt es Expertinnen und Experten, die davor warnen, sich mehrfach mit Corona oder kurz hintereinander mit Corona zu infizieren. Nicht nur mit Blick auf Long COVID. Im Juni 2022 veranschaulichte Carsten Watzl, Professor für Immunologie an der Universität Dortmund, welches Risiko Corona-Mehrfachinfektionen für den Körper bedeuten können.
Online schrieb der Experte: "Eine Corona-Infektion ist wie zu schnell durch eine Kurve fahren. Es kann zum Unfall führen (schwere Erkrankung), hat aber auch Trainingseffekte (Immunität)."
Steckt man sich ein weiteres Mal an, heißt das nicht automatisch, dass die Infektion mild verläuft. "Bei der 2. zu schnellen Kurvenfahrt macht man es daher etwas besser, es kommt bei einigen aber immer noch zu Unfällen. Durch eine Trainingsrunde wird man nicht Formel1-Pilot. Daher ist das Gesundheitsrisiko bei Personen mit Reinfektionen ca. 2x höher als bei 1x Infizierten."
Experte: Corona-Mehrfachsteckungen sind nicht harmlos
Spinnt man das Bild vom Auto in der Kurve weiter, dann ergibt sich: Jede zu schnell genommene Kurve ist unabhängig vom Trainingseffekt ein Risiko für sich. "Wir werden es wohl nie schaffen, 100% sicher zu schnell durch die Kurve zu kommen", machte Watzl deutlich. "Jetzt vorzuschlagen, man solle sich absichtlich infizieren, finde ich fahrlässig."
Auf die Frage, ob Reinfektionen harmlos sind, konnte der Experte nur eine Antwort geben: "Nein!"
Reinfektionen mit Corona werden häufiger
Immer häufiger kommt es dazu, dass sich Menschen zum wiederholten Male mit COVID-19 anstecken. Besonders bei der hoch ansteckenden, aber milderen Omikron-Variante ist das Risiko zweier Infektionen innerhalb weniger Monate größer.
Der Grund: Die Schwere des Krankheitsverlaufs korreliert mit der Menge der gebildeten Antikörper. Das heißt, dass ein milder Verlauf zur Bildung von weniger Antikörpern führt, die auch noch schneller abgebaut werden. Der Körper kann sich schlechter an das Virus erinnern und es kommt leichter zu einer Reinfektion. Das Risiko einer erneuten Ansteckung ist also desto höher, je milder die Symptome bei der ersten Infektion ausgefallen sind.
Quellen:
Was wiederholte Ansteckungen für Long Covid bedeuten, in: Spektrum
COVID reinfections likely within one or two years, models propose, in: nature.com
Rössler, Annika, et al. (2022): SARS-CoV-2 Omicron Variant Neutralization in Serum from Vaccinated and Convalescent Persons, in: New England Journal of Medicine
Servellita, Venice, et al. (2022): Neutralizing immunity in vaccine breakthrough infections from the SARS-CoV-2 Omicron and Delta variants, in: Cell