Pandemie für immer: Ist das unsere Zukunft?

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie: Dieser Leitsatz könnte künftig unser aller Leben bestimmen, warnen Experten. Die gute Nachricht: Es liegt in unserer Hand, das zu verhindern.

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Normalitätssehnsucht: Dieser Begriff beschreibt einen großen Teil des kollektiven Lebensgefühls im Jahr 2020. Wer stiehlt sich derzeit nicht zwischendurch in Tagträume von überfüllten Konzerthallen, abendlichen Barbesuchen oder einfach dem „unverhüllten“ Lächeln eines Mitreisenden im Bus? Wir freuen uns wohl alle auf das Leben nach der Pandemie. Doch was, wenn es niemals kommt?

Wir steuern auf ein „Zeitalter der Pandemien“ zu, warnen 22 leitende Experten des in Bonn ansässigen Weltbiodiversitätsrats. Pandemien könnten demnach künftig häufiger auftreten – und mit weit verheerenderen Folgen als die derzeitige Covid-19-Pandemie. Der Grund dafür ist unser Lebensstil – derselbe Lebensstil, der auch Klimawandel und Artensterben vorantreibt.

„Dieselben menschlichen Aktivitäten, die Klimawandel und den Verlust der Biodiversität verursachen, befeuern durch ihren Einfluss auf die Umwelt auch die Gefahr künftiger Pandemien“, erklärt der Hauptautor des Berichts, US-Virenexperte Peter Daszak. Ausbau und Intensivierung konventioneller Landwirtschaft sowie fehlende Nachhaltigkeit von Handel, Produktion und Konsum zerstörten die Natur und vergrößerten den Kontakt zwischen Wildtieren, Nutztieren, Krankheitserregern und Menschen. „Das ist der Weg zu Pandemien“, so Daszak.

827.000 neue Viren für die Menschheit: Folgt die nächste Pandemie?

Dieser falsche Umgang mit der Natur habe auch die Covid-19-Pandemie verursacht, so die Experten. SARS-CoV-2 ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem Wildtiermarkt im chinesischen Wuhan auf Menschen übergesprungen – ein Vorgang, der sich künftig häufiger wiederholen könnte, so das Szenario: Laut dem Bericht gibt es noch bis zu 827.000 weitere Viren in der Tierwelt, die potenziell auf Menschen überspringen und Pandemien auslösen können.  

Laut Aussage des Expertengremiums werden diese künftigen Pandemien „häufiger auftreten, sich schneller verbreiten, der Weltwirtschaft mehr Schaden zufügen und mehr Tote fordern als Covid-19“.

Auch bei Corona: Prävention statt Reaktion

Trotz des düsteren Ausblicks zieht Daszak einen positiven Schluss: Denn aus seiner Sicht ist es noch nicht zu spät, der negativen Entwicklung entgegenzusteuern. „Wir haben die Fähigkeit, Pandemien zu verhindern – aber mit der Art und Weise, wie wir sie derzeit bekämpfen, ignorieren wir diese Fähigkeit.“

Die derzeitige Strategie zur Bekämpfung weltweiter Pandemien bestehe ausschließlich in reaktiven Handlungsweisen wie der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen. Durch zusätzliche effektive Präventionsmaßnahmen ließe sich aber viel Leid abwenden. „Wir können dem Zeitalter der Pandemien entkommen, aber dazu braucht es einen viel größeren Fokus auf Prävention zusätzlich zur Reaktion“, so Daszak weiter.

Als konkrete Maßnahmen schlagen die Experten beispielsweise die Einrichtung eines internationalen Expertengremiums vor, das den Regierungen bei wichtigen Entscheidungen in der Pandemiebekämpfung zur Seite stehen soll. Zudem regen sie eine höhere Besteuerung des Fleischkonsums an – denn dieser trägt maßgeblich zur immer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft bei.

Zu spätes Handeln hat einen hohen Preis

Ein Strategiewechsel bei der Pandemiebekämpfung hätte nicht nur zufolge, dass weniger Menschen schwer erkranken oder sterben würden und wir alle unser Leben weniger einschränken müssten, so die Autoren: Er hätte auch enorme wirtschaftliche Vorteile. So rechnen die Experten vor, dass die Vermeidung der aktuellen Covid-19-Pandemie nur etwa ein Hundertstel von dem gekostet hätte, was jetzt für ihre Bekämpfung ausgegeben wird.

Jeder einzelne kann mithelfen

Doch was können wir alle mit diesen Erkenntnissen anfangen? Auch wenn angesichts solch globaler Bedrohungen ein Gefühl der Hilf- und Mutlosigkeit verständlich ist, ist der Einzelne keineswegs machtlos: Mit individuellen Entscheidungen etwa im Kaufverhalten und der Ernährung kann jeder seinen Teil dazu beitragen, das Risiko künftiger Pandemien zu verkleinern.

Die Aussicht auf eine Zukunft mit ewigen Kontaktsperren, Abstandregeln und Maskenpflicht ist für uns alle womöglich ein besseres Argument für unbequeme Lebensstiländerungen als der Gedanke an Artensterben und Klimawandel – vor allem jetzt, wo wir einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie sich das Leben im „Zeitalter der Pandemien“ anfühlen kann.

Quelle:

Escaping the ‘Era of Pandemics’: Experts Warn Worse Crises to Come, in: www. ipbes.net