Kinderärzte schlagen Alarm: Scharlach-Fälle steigen rasant an

Erst war es Corona, dann das RS-Virus und nun ist die Infektionskrankheit Scharlach auf Platz eins der aktuellen Kinderkrankheiten. In ganz Deutschland steigen die Scharlach-Zahlen rasant an und rufen aufgrund von Antibiotika-Mangel große Besorgnis bei den Kinderärzten hervor. Im nordrhein-westfälischen Münster ist nun ein 15-Jähriger an den vermeintlichen Folgen einer Scharlach-Infektion gestorben. Aber was steckt hinter der Kinderkrankheit Scharlach? Alle Infos im Überblick!

Kind mit Scharlach und Ausschlag
Scharlach gilt als klassische Kinderkrankheit und führt aktuell in Deutschland zu vielen Kinderarztbesuchen Foto: iStock/Aleksandr Pykhteev

Der Winter nimmt kein Ende und mit ihm auch die Infektionskrankheiten nicht. Es gibt wohl im Moment kaum eine Kita oder eine Schule in Deutschland, in der nicht an der Eingangstür ein Zettel mit der Info hängt: „Wir haben mehrere Scharlach-Fälle“. Aktuell verbreitet sich Scharlach nicht nur bundesweit rasant, sondern in ganz Europa. Kinderärzt:innen sprechen mittlerweile davon, dass sie eine so heftige Scharlach-Welle noch nicht erlebt haben.

Was ist Scharlach?

Scharlach gilt als klassische Kinderkrankheit. Die Infektionskrankheit ist hoch ansteckend, tritt meist in der kalten Jahreszeit zwischen Oktober und März auf und wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Scharlach wird durch Scharlach-Bakterien, sogenannte A-Streptokokken, ausgelöst.

Typische Symptome sind Halsschmerzen, Fieber und eine tiefrote Zunge, die sogenannte „Himbeerzunge“. Nach etwa einem bis zwei Tagen bildet sich ein Hautausschlag, der zwar nicht juckt, sich aber über den ganzen Körper ausbreiten kann. Nur Hand- und Fußsohlen sind meist nicht vom Ausschlag betroffen. Auch die Wangen können stark gerötet sein. Nach etwa sechs bis neun Tagen verschwindet der Ausschlag wieder.

Was sind Streptokokken-Bakterien?

Streptokokken-Bakterien sind sogenannte grampositive kugelförmige Bakterien, die weltweit vorkommen und viele Erkrankungen wie Lungenentzündungen (Pneumonie), Streptokokken-Angina (Rachenentzündung), Infektionen von Haut, Wunden, Blutbahn oder auch Herzklappen und eben auch Scharlach auslösen können.

Streptokokken-Bakterien werden in unterschiedliche Gruppen eingeteilt:  

  • Gruppe A

  • Gruppe B

  • Gruppe D (Enterococcus)

  • Viridans-Streptokokken

All diese Gruppen lösen mit großer Wahrscheinlichkeit Erkrankungen beim Menschen aus. Je nachdem, welche Gruppe der Bakterien die Erkrankung ausgelöst hat, treten unterschiedliche Symptome auf. Diagnostiziert wird eine Streptokokken-Infektion meist aufgrund der Symptome. Ein Abstrich oder eine Probenentnahme können die Diagnose bekräftigen. Im Allgemeinen wird eine Infektion mit Streptokokken-Bakterien mit Antibiotika in Tablettenform (bei leichten Infektionen) behandelt, bei schweren Infektionen wird Antibiotika intravenös verabreicht.

Wie ist die aktuelle Scharlach-Situation?

Bereits im letzten Quartal 2022 meldete das Robert Koch-Institut einen für die Jahreszeit ungewöhnlich hohen Anstieg von Streptokokken-A-Infektionen.

Auch andere Länder wie Irland, Frankreich, die Niederlande, Spanien, Schweden und Großbritannien verzeichneten im letzten Quartal 2022 eine Häufung von A-Streptokokken-Infektionen bei Kindern unter zehn Jahren. Mindestens 19 minderjährige Kinder sollen in Großbritannien bereits an einer Infektion mit den Bakterien gestorben sein.

In Deutschland steigen die Zahlen der Scharlach-Fälle im Vergleich zum Vorjahr gerade rasant an. Laut Expert:innen besteht jedoch kein Grund zur Panik.

Ist Scharlach immer gefährlich?

Auch wenn Scharlach als vermeintliche Kinderkrankheit gilt, so ist sie in keinem Fall zu unterschätzen. Ein 15-jähriger Junge aus Münster starb nun an einer Sepsis, der allem Anschein nach eine Scharlach-Infektion vorausgegangen war.

Scharlach verläuft in den meisten Fällen mild. Da die Krankheit durch Bakterien ausgelöst wird, ist sie leicht mit Antibiotikum wie Penicillin zu behandeln. Bereits 24 Stunden nach der ersten Einnahme gilt man als nicht mehr ansteckend.

Problematisch wird es jedoch, wenn die Antibiotika-Behandlung erst nach ein bis zwei Tagen oder im schlimmsten Falle gar nicht stattfindet. Denn die Streptokokken-Bakterien, die Scharlach auslösen, können Giftstoffe, sogenannte Toxine bilden. Werden die Bakterien nicht durch Antibiotika gestoppt, können sich die Giftstoffe im Körper ausbreiten und so schwere Komplikationen wie das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom (STSS) auslösen. Laut dem RKI bewirken die Gifte der Streptokokken, sogenannte Superantigene, „eine polyklonale unkontrollierte Stimulierung" bestimmter Immunzellen, der T-Zellen. Ein Schock oder sogar Multiorganversagen können die Folge sein, das laut dem RKI in 30 Prozent der Fälle tödlich endet.

Einmal Scharlach, dann immun?

Haben Betroffene eine Scharlach-Infektion überstanden, so sind sie zwar in Zukunft vor diesem einen Giftstoff geschützt. Jedoch besitzen Streptokokken-Bakterien die Fähigkeit, unterschiedliche Giftstoffe zu bilden, sodass man immer wieder an Scharlach erkranken kann. Eine Immunität gegen Scharlach gibt es also nicht. Manch ein Erwachsener unterschätzt auch die Scharlach-Infektion seiner Kinder. Denn auch Erwachsene können immer wieder an Scharlach erkranken und müssen in diesem Fall – ebenso wie Kinder – mit Antibiotika behandelt werden.

Unbehandelter Scharlach: Welche Folgen können entstehen?

Von einem unbehandelten Scharlach spricht man, wenn keine oder nicht ausreichende Antibiotika gegeben werden.

Wird Scharlach nicht behandelt, zum Beispiel weil das benötigte Antibiotikum aufgrund von Medikamenten-Lieferengpässen nicht aufzutreiben ist, können schwere Komplikationen die Folge sein. Gelenkbeschwerden, Nierenschäden, Lungenentzündungen, rheumatisches Fieber, aber auch Herzmuskel- oder Hirnhautentzündungen können Spätfolgen sein.

Sind Antibiotika für Kinder vom Lieferengpass betroffen?

Antibiotika werden laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte aktuell kontinuierlich geliefert. Jedoch schlagen immer mehr Kinderärzte Alarm, dass dringend benötigte Antibiotika gerade nicht verfügbar seien. Für antibiotische Kinderarzneimittel bestanden Ende Januar bereits Lieferengpässe für 14 Wirkstoffe. Zwar haben Kinder- und Jugendärzte die Möglichkeit, auf andere Antibiotika auszuweichen, jedoch wirken diese teilweise nicht so schnell oder effizient, wie das ursprünglich benötigte.

Auch wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte optimistisch davon ausgeht, dass nur im ersten Quartal 2023 mit Lieferengpässen zu rechnen sei, so glaubt der Apothekerverband Nordrhein nicht daran. Ihrer Ansicht nach wird es das ganze Jahr 2023 immer wieder zu Medikamenten-Engpässen kommen. Aktuell sei fast jedes zweite Rezept vom Medikamenten-Mangel betroffen.

Quellen:

Scharlach, in: infektionsschutz.de

Inzidenzanstieg von Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen (z.B. Scharlach), in: rki.de