Homöopathie-Wirksamkeit: „Es gibt eine Wirkung – wir suchen den Grund“
Die Homöopathie verstehen und ihre Wirksamkeit nachweisen – das hat sich der Physiker und Homöopath Dr. Alexander Tournier zur Aufgabe gemacht. Wir haben mit ihm über die neuesten Erkenntnisse gesprochen.

Herr Dr. Tournier, Sie sind Physiker. Was hat Sie an der Homöopathie interessiert?
Dr. Alexander Tournier: Ich war immer schon an Wissenschaft interessiert. Ich war eines von diesen Kindern, wissen Sie, die ihr Spielzeug lieber auseinandernehmen, um zu sehen, wie es funktioniert, statt damit zu spielen. Von Kind an war ich derjenige, der das Radio repariert hat, den Fernseher, die Waschmaschine. Ich wollte die Dinge wirklich verstehen. Diese Leidenschaft hat mich dann zur Physik gebracht, schließlich zur theoretischen Physik.
Ich wollte einfach in der Tiefe die Prinzipien begreifen, die unserer physischen Welt zugrunde liegen. Wie bei vielen anderen, die zur Homöopathie gekommen sind, begann mein Interesse, als ich krank wurde. Zu dieser Zeit war ich mit einem PhD in theoretischer Physik befasst – über die Quantenphysik der Makromoleküle des Lebens, DNA usw. Ich wurde krank, Homöopathie half mir. Sie hat damals etwas „gemacht“, was ich nicht erwartet hatte, nicht erklären könnte. Das hat mich sehr neugierig gemacht.
Arbeiten Sie auch als Homöopath?
Dr. Alexander Tournier: Ich habe tatsächlich auch eine praktische homöopathische Ausbildung gemacht, in London, um besser zu verstehen, wie Homöopathie tatsächlich praktiziert und erlebt wird – von Patienten und von Behandlern. Die Ausbildung am Centre for Homeopathic Education (CHE) war faszinierend und tatsächlich habe ich mich einige Zeit mit dem Gedanken getragen, Forschung und homöopathische Praxis zu verbinden. Ich habe aber schnell eingesehen, dass es für mich sinnvoller wäre, meine Anstrengungen ganz auf die Forschung zu legen. Da bin ich einfach besser.
Kann denn die Physik plausible Erklärungen für die Wirkungsweise der Homöopathie liefern? Was sind Ihre „Lieblingshypothesen“?
Dr. Alexander Tournier: Zu einer ganzen Anzahl von Theorien wird zurzeit geforscht. Insbesondere die Nanopartikeltheorie hat nach den Arbeiten von Prof. Bellare in Indien und Prof. Bell in den Vereinigten Staaten Aufmerksamkeit erregt. Die Wirkungen homöopathischer Verdünnungen werden dabei Nanopartikeln der ursprünglichen Substanzen zugeschrieben, was die ganze Sache interessant macht. Nanopartikel haben merkwürdige Eigenschaften, oft auch chemische Eigenschaften, die sich nicht unbedingt aus ihrer eigenen chemischen Zusammensetzung ergeben. Allerdings ist es zurzeit nicht klar, wie durch den homöopathischen Arzneizubereitungsprozess Nanopartikel in ausreichender Menge hergestellt werden können, um tatsächlich therapeutisch auf den Patienten zu wirken. Überdies konzentriert sich die gegenwärtige Forschung auf metallische Nanopartikel.
Ob die Ergebnisse sich auch auf lösliche Substanzen übertragen lassen (z. B. Natrium muriaticum), ist offen. Ich selbst arbeite an einem anderen Ansatz, auch mit Nanostrukturen, aber Nanostrukturen von Wasser. Es gibt interessante Hinweise, dass Wasserstrukturen tatsächlich existieren und unter Normalbedingungen stabil bleiben. Herkömmliche Forschung kennt solche Phänomene auch. Wissenschaftler erforschten chemische Reaktionen auf sehr kleinem Raum, im Rahmen der Entwicklung von „chip-basierten Labors“, einer neuen Generation von miniaturisierten medizinischen Diagnoseapparaten. Man fand, dass die Reagenzien nicht in einheitlicher Weise in die Mikrokammer eingehen, sondern eingebunden in Wasserstrukturen von etwa 100 nm Durchmesser. Ähnliche Wasserstrukturen sind auch aus der homöopathischen Forschung berichtet worden und könnten Bausteine eines homöopathischen Wirkungsmechanismus darstellen. Solche Wasserstrukturen könnten auf theoretischer Ebene den Quantenkohärenzstrukturen (quantum coherence domains) gleichgesetzt werden, wie sie von den italienischen Theoretikern Dr. Preparata und Dr. DelGuidice postuliert werden. Es laufen derzeit einige Experimente, um diese Postulate zu untersuchen.
Sie sind Mitbegründer des Homeopathic Research Institute (HRI) in Großbritannien. Bitte erzählen Sie uns davon. Was trieb Sie an?
Dr. Alexander Tournier: Als ich mich für Homöopathie zu interessieren begann, begriff ich schnell, dass es ein Forschungsproblem gab. Der konventionelle Wissenschaftsbetrieb war gar nicht an Homöopathie interessiert, die Forschungsarbeiten selbst waren oft widersprüchlich und handwerklich mangelhaft durchgeführt. Da gab es durchaus ein paar interessante Arbeiten, aber man musste schon sehr genau wissen, wonach man suchte, wenn man sie finden wollte. Also brauchten wir weit mehr Forschung in der Homöopathie, gute, handwerklich saubere Forschung. Und wir mussten die bestehenden Ergebnisse zugänglich machen, kommunizieren, auch um die Spreu vom Weizen trennen.
So entstand die Idee des HRI. Um die Wirkung möglichst breit zu streuen, sollte es eine gemeinnützige Organisation sein, mit einer eigenen Stimme und auch der Möglichkeit, Forschungsprojekte zu finanzieren. Genau das tut das HRI heute. Wir fördern Qualitätsforschung in der Homöopathie und bieten Kollegen und der allgemeinen Öffentlichkeit verlässliche Informationen über homöopathische Forschung an.
Wie schätzen Sie die Lage der homöopathischen Forschung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein?
Dr. Alexander Tournier: Das HRI hat eine Menge Informationen zur Forschung und insbesondere zur gegenwärtigen Forschungsdiskussion online veröffentlicht: www.hri-research.org/resources. Wir veröffentlichen vierteljährlich eine Zusammenfassung besonders relevanter Arbeiten, die sprachlich auch Nichtwissenschaftler verstehen können. Wir haben an die 30 solcher Überblicksartikel zu den verschiedensten Themen, z. B. Dr. Robert Mathies kürzlich erschienene Übersicht der individualisierten Homöopathie oder eine einfach verständliche Darstellung der Arbeiten von Dr. Steven Cartwright. Ich müsste sicher noch viel weiter ausholen, um Ihre Frage zu beantworten, aber man kann schon sagen, dass die homöopathische Forschung derzeit große Fortschritte macht.
Ein langer Weg liegt allerdings vor uns und das größte Hindernis ist leider Geld oder besser das Fehlen desselben. Aus den öffentlichen Töpfen bekommen wir einfach keine Mittel für homöopathische Forschung. Wir haben auch Anteil an der Anstrengung, den australischen NHMRC-Bericht zur Homöopathie zu delegitimieren. Enorme Interessenskonflikte und unsauberes Arbeiten im NHMRC haben einen voreingenommenen Bericht produziert, der wissenschaftlichen Kriterien, die an solche Arbeiten angelegt werden müssen, nicht im Geringsten genügt. Wir meinen, dass ein solch fehlerhafter Bericht zukünftigen Entwicklungen homöopathischer Forschung nicht im Wege stehen darf. Details können Sie auf unsere Website finden unter: www.hri-research.org/Australian-Report.
Auf welche Ziele sollte die Homöopathie ihre Aufmerksamkeit lenken, wo sollten Schwerpunkte liegen?
Dr. Alexander Tournier: Homöopathische Forschung ist vor allem unterfinanziert. Zum großen Teil liegt das an der Vorstellung, die Homöopathie sei ein traditionelles Heilsystem und man müsse einfach so weitermachen, wie man es schon immer gemacht hat. Das geht aber leider an den Gegebenheiten der modernen Welt vorbei. Wir müssen Wirksamkeit nachweisen und Wirkungsmechanismen aufdecken, wenn wir ernst genommen werden wollen. Derzeit sehen wir auch, dass die Angriffe auf die Homöopathie die Wirkung hatten, traditionelle Finanzierungsquellen für die Forschung wie die Hochschulfinanzierung und die Finanzierung von Forschungsorganisationen zu verschließen.
Leider denken die meisten der akademischen Welt, die Forschung habe ihr Urteil abgegeben, es sei genug Forschung in Homöopathie durchgeführt worden, sie würde nicht funktionieren und somit sei keine weitere Finanzierung der Forschung erforderlich. Das ist eindeutig eine tragische Situation, wenn man bedenkt, dass hunderte Millionen Menschen diese Form der Medizin weltweit nutzen. Ein anderer Grund für die mangelnde Forschungslust ist sicher auch in den weithin publizierten Fehlschlägen mancher Experimente zu sehen, die dann zu der Annahme verleiten, man könne Homöopathie eben nicht „mit den Mitteln moderner Wissenschaft“ untersuchen. Wir glauben, dass diese Annahme nicht zutrifft.
Unsere Erfahrung ist, dass Homöopathie sehr wohl wissenschaftlich erforscht werden kann. Also würde ich sagen, das Erste, was Homöopathie tun sollte, ist, sich der Wissenschaft noch weiter zu öffnen. Hahnemann war schließlich auch einer der ersten modernen klinischen Forscher der Medizingeschichte. Ein schrittweises, strategisches Forschungsprogramm kann die Homöopathie gründlich erforschen und unser Verständnis von menschlicher Gesundheit ebenso gründlich revolutionieren. Dafür brauchen wir Geld. Und dafür brauchen wir Sie als Unterstützer.
Zum Weiterlesen:
Das HRI beantwortet auf seiner Internetseite unter „Informationsquellen/FAQ“ kritische Fragen zum Thema Homöopathie auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse: www.hriresearch.org/de/informationsquellen/homeopathyfaqs/
Dr. Alexander Tournier
BSc DIC M.A.St Cantab PhD LCHE RSHom Der HRIVorsitzende hat ein Ehrendiplom 1. Klasse in Physik vom Imperial College und einen Master in Advanced Study in Theoretische Physik von der Universität Cambridge. Seine Doktorarbeit verfasste er an der Universität Heidelberg über die Biophysik des Wassers an der Schnittstelle mit biologischen Molekülen. In Homöopathie ist er am Zentrum für homöopathische Bildung, London, ausgebildet und er ist eingetragener Homöopath. 10 Jahre forschte Dr. Tournier am Cancer Research UK an Problemen um die Schnittstellen zwischen Biologie, Physik und Mathematik. 2007 gründete er das Londoner Homeopathy Research Institute (HRI).
Copyright für dieses Interview: "© Georg Thieme Verlag KG."