Gewichtszunahme durch Medikamente

Erfahren Sie, warum Zuckertabletten dick machen können und welche Nebenwirkungen sonst noch in den Packungen lauern.
Jedes Jahr müssen in Deutschland 800 000 Patienten ins Krankenhaus, weil sie Symptome haben, für die es zunächst keine Erklärung gibt. Doch selbst manchen Ärzten ist oft nicht bewusst, dass die vermeintlichen Krankheiten in Wirklichkeit Nebenwirkungen der von ihnen verschriebenen Medikamente sind.
Nebenwirkungen: Wenn Medikamente gefährlich werden
An Diagnosen hatte er fast alles gehört – sogar Multiple Sklerose (MS) oder einen Gehirntumor hielten die Ärzte von Horst Bergmann (43) für möglich. Ihn plagten Schmerzen und Empfindungsstörungen in Armen und Beinen, wochenlang fühlte er sich schlapp. Besonders nach kurzer körperlicher Belastung hatte er das Gefühl, gleich umzukippen. Erst viel später fand ein anderer Arzt die Lösung des Problems: "Sie haben das Antibiotikum nicht vertragen." Vorausgegangen war die Behandlung einer beginnenden Lungenentzündung. Doch das Antibiotikum reicherte sich als so genanntes Depot-Medikament im Fettgewebe an und verblieb dort für Wochen. "Wenn jemand eine solche Reaktion entwickelt, leidet er so lange darunter, bis das Medikament wieder aus dem Körper ausgeschieden ist", sagt Dr. York von Rehren, Internist in Hamburg.
Gesundheitsrisiken durch unerwünschte Nebenwirkungen
Nebenwirkungen von Arzneimitteln sind ein Riesenproblem. Seit 1998 hat sich die Zahl der gemeldeten schweren Arzneimittelzwischenfälle mehr als verdoppelt. Todesfälle durch Medikamente haben sich in diesem Zeitraum sogar verdreifacht. Experten schätzen, dass in Deutschland bis zu 60 000 Menschen jährlich an den Folgen von Arzneimittelnebenwirkungen sterben. Bei korrekter, gewissenhafter Verordnung durch den Arzt und richtiger Einnahme durch den Patienten sind Medikamente jedoch in den allermeisten Fällen für die Heilung von Krankheiten oder zumindest für die Verbesserung der Lebensqualität sehr sinnvoll.

Zuckertabletten können dick machen – und den Cholesterinwerten schaden
Bei der Zuckerkrankheit (Diabetes) kann der Organismus das körpereigene Insulin nicht mehr in ausreichendem Maße verwerten. Doch wem ständig schwindelig und flau im Magen ist, der leidet unter Umständen unter einer zu hohen Dosierung seiner Medikamente. "Hauptrisiko ist hier immer die Unterzuckerung, die sogar lebensgefährlich werden kann", sagt Prof. Frölich. Einige Diabetes-Medikamente sorgen durch Fett- oder Wassereinlagerung für eine Gewichtszunahme oder verändern die Cholesterinwerte.
Muskelschmerzen – Fettsenker sind bei jedem Zehnten die Ursache
Wer ständig Muskelschmerzen oder Verspannungen hat und Medikamente zur Senkung der Blutfettwerte einnimmt, leidet möglicherweise unter der häufigsten Nebenwirkung dieser sogenannten Statine, die sich bei rund zehn Prozent der Patienten bemerkbar macht. Sie kann auch nach jahrelanger Einnahme noch neu auftreten. In diesem Fall sollte man sofort den Arzt aufsuchen. Der Fettsenker Lipobay wurde vom Hersteller 2001 zurückgezogen, nachdem Fälle von tödlichem Muskelzerfall aufgetreten waren.
Neuroleptika – Dickmacher und Abwehrschwächer
Neuroleptika zur Behandlung von Schizophrenie (Bewusstseinsspaltung) können die Bildung der weißen Blutzellen (wichtig für die Immunabwehr) stören, einige Patienten nehmen stark an Gewicht zu. Müdigkeit, Schwierigkeiten beim Wasserlassen und Herzrasen sind weitere Nebenwirkungen.
Kopfschmerz und tödliche Magenblutungen durch Schmerzmittel
Die Kopfschmerzen werden trotz Schmerzmitteln nicht besser? Vorsicht! Die Medikamente nie länger als drei Tage hintereinander oder öfter als zehn Tage im Monat einnehmen. "Sonst kann sich der Schmerz verselbstständigen, das Medikament löst dann selbst den Schmerz aus", erklärt Prof. Frölich. "Schmerzmittel wie Ibuprofen führen häufig zu Magenschmerzen und Magenblutungen, nicht selten mit tödlichem Ausgang."
Wenn Antibiotika lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen verursachen
Antibiotika werden oft unnötig verschrieben. Nebenwirkung: Sie stören das Gleichgewicht der Bakterienflora im Darm, Durchfall ist die Folge. Gerade bei Depot-Präparaten, die nur drei Tage eingenommen werden, aber manchmal sogar mehrere Wochen im Körper verbleiben, ist Vorsicht geboten. Prof. Frölich: "Wer darauf zum Beispiel mit Muskelschmerzen oder Empfindungsstörungen in Armen oder Beinen reagiert, hat dieses Problem wochenlang." Tetrazykline können bei Kindern den Zahnschmelz schädigen und das Knochenwachstum hemmen. Das Antibiotikum Moxifloxacin kann auch lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen auslösen.
Sehstörungen und Herzinfarkt durch Potenzmittel
Potenzmittel, die Wunderdroge für Männer, bei denen es im Bett nicht mehr klappt? Die Nebenwirkungen sind jedenfalls beachtlich: Gesichtsröte, verstopfte Nase, Farbsehstörungen und Herzrasen, das stundenlang anhalten und sich bis zum Herzinfarkt ausweiten kann. Forscher haben außerdem gefährliche Blutdruckabfälle beschrieben, zumindest wenn man gleichzeitig bestimmte Herzmittel (Nitrate) einnimmt.

Wenn Hormone Todesangst verursachen
Nervosität, Herzrasen, Händezittern, Schwitzen, Gewichtsverlust, Hitzewallungen und Herzenge (Angina Pectoris) – muss dahinter nicht eine ganz böse Krankheit stecken? Bei Marina Berg (49) war es schlicht eine Folge falsch dosierter Schilddrüsenmedikamente (Hormone). Denn seit ein Teil dieser Drüse bei ihr entfernt werden musste, hat Frau Berg eine Unterfunktion. "Mit einer Dosisanpassung der Medikation kann man diese Probleme meist leicht in den Griff bekommen", sagt Prof. Frölich.
Zahnfleischbluten und Leberschäden durch Blutverdünner
Seit Lisa Lindemann (67) eine künstliche Herzklappe hat, leidet sie unter Zahnfleischbluten. "Das kann eine Nebenwirkung blutverdünnender Medikamente sein", erklärt Professor Frölich. Wird das Blut zu stark verdünnt, können gefährliche Magen-Darm-Blutungen auftreten, auch Leberschäden kommen vor. Harmlosere Nebenwirkungen: Hautjucken, Erbrechen, Durchfall.
Schwindel und Übelkeit durch Malariavorbeugung
Übelkeit und Unwohlsein sind immer besonders unpassend, wenn sie vor einer Urlaubsreise auftreten. Manchmal sind sie aber auch Folgen medizinischer Vorbereitungen, sprich der Malaria-Vorbeugung. Denn Malaria-Prophylaxe-Tabletten können solche Beschwerden auslösen. "Bei einem Prozent der Patienten kommt es auch zu neuropsychiatrischen Nebenwirkungen, am häufigsten Schwindel", warnt Prof. Frölich.
Wenn Herzmittel den Herztod bringen
Herzschwäche im fortgeschrittenen Stadium ist eine ernsthafte Erkrankung. Wenn aber dazu noch Herzrhythmusstörungen kommen, kann das an den verordneten Medikamenten liegen. Professor Frölich: Herzglykoside, die das Herz entlasten sollen, können bei falscher Dosierung oder bei mangelnder Eingewöhnung Extraschläge und Herzrasen auslösen." Im Extremfall kommt es zum Kreislaufstillstand.
Wenn Kinderpillen das Herz zum Rasen bringen
"Zappel doch nicht so herum!". Was früher als Zappelphilipp-Krankheit verspottet wurde, hat einen medizinischen Namen: Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom, kurz ADHS. Medikamente dagegen wirken durchaus, aber leider ebenfalls nicht ohne Nebenwirkungen: Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Herzrasen werden schon seit Längerem beobachtet. Vor Kurzem fand man heraus, dass das Medikament Methylphenidat auch strukturelle Veränderungen im Gehirn verursacht – zumindest im Tierversuch. "Was das für den Menschen bedeutet, muss jetzt geklärt werden", sagt Professor Frölich.