Bauchkrämpfe bei Babys

Für Kinder ist es meist die erste Erfahrung mit dem Phänomen Schmerz: Bauchkrämpfe kennen Babys, lange bevor sie sprechen können. Wodurch entsteht das Grummeln im Bauch? Was hat die Darmflora damit zu tun? Und: Können wir als Eltern vorbeugen?

Baby hat Bauchkrämpfe
Bis sich die Verdauung einspielt und eine stabile, physiologische Darmflora aufgebaut ist, dauert es meist einige Zeit. Blähungen und Bauchkrämpfe sind daher die häufigsten Beschwerden bei Babys Foto: shutterstock

Bei der Geburt sind Babys, organisch betrachtet, eigentlich fertig. Herz, Leber, Lunge oder Nieren sind voll ausgebildet und bereit, ihre lebenslange Arbeit aufzunehmen. Für zwei Körpersysteme allerdings gilt das nur eingeschränkt: für das Immunsystem und für den Verdauungstrakt. Beiden fehlt gewissermaßen der Input von außen – Bakterien. Das Immunsystem braucht den Kontakt mit Mikroorganismen, um seine Abwehrkräfte aufzubauen. Der Darm hingegen kann seine Tätigkeit erst aufnehmen, wenn er von „guten“ Bakterien besiedelt ist. Denn diese sind die Arbeiter, denen der Darm ein Zuhause gibt und die seine ihm zugeschriebene Aufgabe verrichten – das Verdauen unserer Nahrung.

Die Geburtsstunde der Darmflora

Wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt, schlägt also auch die Geburtsstunde der Darmflora. Für gewöhnlich erhalten Babys am Tag der Entbindung einen bunten Bakterienmix, den die Mutter über den Geburtskanal weitergibt. Diese Bakterien sind säurebildend und damit keimabwehrend. Doch das ist nur der Anfang der Bakterienbesiedlung. Viele weitere Kleinstlebewesen kommen hinzu: durch den Hautkontakt mit der Mutter und anderen Personen und eben durch all das, was noch im Krankenhaus so umherschwirrt. Die Gastroenterologin Giulia Enders nennt diese Bakterien „die Gründungsväter unserer ersten mikrobiellen Besiedlung“. Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, sind hier etwas mehr herausgefordert: Weil ihnen der Grundstock aus Mamis Geburtskanal fehlt, müssen sie gewissermaßen selbst auf die Suche nach den richtigen Bakterien für ihre Darmflora gehen. Für sie heißt es dann zum Beispiel, besonders oft und intensiv mit Mami und Papi zu kuscheln. So gehen besonders viele Mikroben der Eltern auf das Kind über, die zum einen das Immunsystem trainieren, zum anderen eine Bakterienmischung für den Darm bereithalten.

Wenn „böse“ Bakterien für Bauchkrämpfe bei Babys sorgen

Sind die Bakterien erst einmal im Verdauungstrakt des Kindes angekommen, vermehren sie sich in rasanter Geschwindigkeit und sorgen für eine schnelle Funktionstüchtigkeit von Babys Darm. „Während unser erstes Darmbakterium seine Ururururenkel an sich vorbeischwimmen sieht, liegen wir gerade mal zwei Stunden in den Armen unserer Eltern“, weiß Giulia Enders. Doch bis sich eine optimal aufeinander abgestimmte Darmflora eingependelt hat, dauert es noch ungefähr drei Jahre. Ein solch unfertiger Zustand ist manchmal auch mit schlimmen Bauchkrämpfen verbunden. Nämlich dann, wenn etwas Falsches in Babys Darm geraten ist. Das können zum einen Lebensmittel sein, für deren Verdauung noch keine passenden Darmbakterien da sind. Oder auch ungebetene Bakterien, denen der Darm kein Zuhause bieten möchte. Sie hängen sich an der Darmzelle fest und produzieren Stoffwechselprodukte, die der Darm gar nicht gebrauchen kann. Die Folge ist eine schmerzende Entzündung. In der Regel reagiert das körpereigene System recht schnell, indem der Darm mit Flüssigkeit gespült wird und ein kräftiger Durchfall den ungebetenen Gast hinausbefördert. Aber auch Viren lösen sehr häufig Bauchkrämpfe bei Babys aus. Weil der Darm aufgrund des unausgebildeten Immunsystems noch offen für viel Neues ist, ist es für sie ein Leichtes, in die Darmzelle einzudringen und wie das Bakterium eine Entzündung hervorzurufen. Doch auch wenn dann vorübergehend schmerzhaftes Grummeln und Tränen auf dem Plan stehen, hat der Kontakt mit verschiedenen Mikroorganismen in jungen Jahren auch sein Gutes.

Der Darm als Trainingslager für Immunzellen

Kind nimmt gefährliche Kleinteile in den Mund
Der Beschützerinstinkt veranlasst Eltern dazu, ihr Kind von Keimen fernzuhalten. Für die Entwicklung des Darms und von Abwehrkräften des Kindes ist dieses spielerische In-den-Mund-Nehmen von Dingen aber durchaus förderlich Foto: Imago

Im Darm sitzt der größte Teil des Immunsystems. Dort werden Immunzellen optimal auf ihre Aufgabe vorbereitet: Sie können die unterschiedlichsten Bakterienarten beschnuppern und lernen, einzuschätzen, ob sie „böse“ oder „gut“ sind und ob sie gegen sie vorgehen sollten. Und vor allem lernen sie, keine körpereigenen Zellen anzugreifen. Es ist quasi ein Trainingslager: „Immunzellen werden schon im Bootcamp aussortiert, wenn sie eigenes Gewebe angreifen. In ihrem Trainingslager im Darm lernen sie, tolerant gegenüber Fremden beziehungsweise besser auf Fremdes vorbereitet zu sein“, erklärt Giulia Enders. Und je mehr Bakterien das Immunsystem schon frühzeitig kennengelernt hat, umso besser weiß es später – wenn ihm ein solches Bakterium außerhalb des Darms begegnet –, wie damit richtig umzugehen ist.

Hier entsteht ein Konflikt, der für Eltern nicht leicht zu bewältigen ist: Der Beschützerinstinkt gebietet Müttern und Vätern, ihr Kind von Keimen fernzuhalten – durch Hygienemaßnahmen oder Verbote. So stößt das bei Kleinkindern sehr ausgeprägte Verhalten, Gegenstände nicht nur mit den Händen, sondern auch mit dem Mund zu ertasten, oft auf elterliche Ablehnung. Für die Entwicklung des Darms und von Abwehrkräften des Kindes ist dieses spielerische In-den-Mund-Nehmen von Dingen aber durchaus förderlich. Denn so gelangt eine breite Auswahl an Bakterienvölkern in den kleinkindlichen Verdauungstrakt. Welches Volk sich dann als nützlicher Darmbewohner erweist, ist ungewiss, aber selbst wenn die Bakterien nicht so richtig ins System passen, sind sie wenigstens ein guter Sparringspartner für die Zellen des Immunsystems.

Mit Ernährung eine gute Ernährung fördern

Wenn es Eltern schwerfällt, über ihren Hygiene-Schatten zu springen, hilft vielleicht diese Erkenntnis: Dass sich vor allem „gute“ Bakterien ansiedeln – und damit die Bildung einer gesunden Darmflora von Kindesbeinen an gewährleistet ist –, kann auch durch eine entsprechende Ernährung gefördert werden. Präbiotika nennen sich die Stoffe, die nur von „freundlichen“ Bakterien vertilgt werden – sie gilt es, primär zu füttern. Das fängt schon bei der Muttermilch an. Die ist natürlicherweise zu 90 Prozent mit dem Präbiotikum GOS angereichert. Es fördert die Ansiedlung von Bifido-Bakterien und Lactobazillen – optimale Starter-Bakterien für Babys Darm. Aber auch mit GOS angereichertes Milchpulver wird angeboten und hat eine sehr ähnliche Wirkung auf die Darmflora wie Muttermilch. Bei der Umstellung auf feste Nahrung „erfährt die Bakterienwelt des Babys eine erste Revolution“, sagt Giulia Enders. Zwar ist auch die Erstsiedlerkolonie so ausgestattet, dass sie feste Nahrung verdauen kann – allerdings nur in begrenztem Rahmen. Und so muss die Bevölkerung aufgestockt werden. Schließlich entwickelt sich Babys Darm nun auch immer mehr zu einem der größten Organe des Menschen – und da muss Leben rein: Allein der Dünndarm ist bei erwachsenen Menschen bis zu sechs Meter lang. Auch das verläuft nicht immer ohne Probleme. Eine von Anfang an ballaststoffreiche Ernährung ist da sehr sinnvoll. Ballaststoffe sind Präbiotika, die von „guten“ Bakterien geliebt werden. Bekommen sie im Darm des Kindes ausreichend Ballaststoffe geboten, lassen sie sich dauerhaft nieder und produzieren munter Vitamine und gesunde Fettsäuren.

Wie Gefühle auf den Darm wirken

Kuscheln mit Mami lindert Bauchkrämpfe der Kleinen
Bei Bauchkrämpfen sind eine Kuscheleinheit bei Mami und das Sprechen über das Problem die beste Medizin Foto: Fotolia

Das ein so großes Organ einen sehr großen Einfluss auf alle Bereiche des Körpers hat, ist logisch. Auch wenn nur ein Bruchteil aller Bakterien erforscht ist, gehen Wissenschaftler davon aus, dass sie überall im Körper Einfluss nehmen können. Somit „legen unsere allerersten Bauchvölker wichtige Grundbausteine für die Zukunft unseres gesamten Körpers“, sagt Giulia Enders. Eine sehr intensive Zusammenarbeit besteht zwischen dem Darm und dem Gehirn. Verantwortlich dafür sind die Darm-Hirn-Achse und der Vagusnerv, der beide Organe miteinander verbindet. Über diesen Kanal werden ständig Informationen hin und hergefunkt: Etwa, welche Hormone im Blut schwimmen, wie es um das Immunsystem oder die Verdauung bestellt ist und welche Nährstoffe dem Körper fehlen. Solche Informationen haben wiederum einen großen Einfluss auf Stimmungen und Befindlichkeiten. Denn das Gehirn reagiert mit einer entsprechenden Hormonausschüttung. „Jeder kennt das, wenn er Hunger hat: Der Bauch ist leer, und wir bekommen schlechte Laune.“ Umgekehrt wirkt sich eine emotionale Stimmung ebenso auf den Darm aus. Die Bauchschmerzen eines Schulkinds vor der Klassenarbeit, bei Überforderung oder Angst sind die Folge. Denn um den emotionalen Stress zu bewältigen, borgt sich das Gehirn Energie vom Darm. Daraufhin fährt dieser seine Verdauungsenergie herunter: Sowohl die Durchblutung als auch die Schleimbildung werden vermindert. Dauert der Zustand an, funkt der Darm an das Gehirn eine Beschwerde zurück: „Wir können uns dann abgeschlagener fühlen oder unter Appetitlosigkeit, Unwohlsein oder Durchfall leiden.“ Oder eben mit Bauchkrämpfen zu Mami gehen. Eine Kuscheleinheit und das Sprechen über das Problem sind dann die beste Medizin.

Kinder machen auf ihre Bauchkrämpfe deutlich aufmerksam

Ein Bewusstsein für den Darm sollte auch im Erwachsenenalter nicht nachlassen. Kinder machen auf ihre Bauchkrämpfe meist sehr deutlich aufmerksam. Erwachsene neigen dazu, das Völlegefühl, die Blähungen oder die Verstopfung zu ignorieren. Doch auch wenn sich die große Volksgemeinschaft in unserem Darm die meiste Zeit ganz gut allein organisiert: Ein wissendes Verständnis und weniger Scham für das faszinierende System Darm sind der erste Schritt zu einem umfassenden Wohlgefühl.

Sante Hilfe mit Homöopathie

Auch homöopathische Mittel sollen Kindern zuverlässig und nebenwirkungsfrei bei Bauchbeschwerden helfen. Experten empfehlen dazu häufig vier homöopathischen Inhaltsstoffe: Carbo vegetabilis, Asa foetida, Lycopodium und Nux vomica – am besten in einem Kombipräparat (Bellilin, Apotheke). Die sich ergänzenden Arzneien helfen bei Völlegefühl, vermehrtem Aufstoßen, Blähungen, Darmträgheit und Koliken.